Schwuler berlin markt de zürich

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Schwuler berlin markt de: die community trifft sich online

VON JAN FEDDERSEN. Annonciert ist die Schau an jeder Ecke Zürichs, auf Plakaten, vor ihrer Eröffnung auch in Kinospots. Nirgendwo machte dies Skandal. Weshalb auch? Warum sollten sich brave Bürger über eine Ausstellung erregen, die vor zwanzig Jahren als subversiv gegolten hätte — während der gewählte Titel im Hier und Jetzt eher eine ästhetische Bagatelle darstellt.

Eine Exposition, die das Nonheterosexuelle zum Thema hat, aber das Grelle, das Provokante und das Irritierende dessen, was Schwule und Lesben in die bürgerlichen Öffentlichkeiten trugen, ausgespart hat? Und selbst wenn dies die ganz andere Absicht der KuratorInnen gewesen wäre — hätte sie am Zeitgeist nicht scheitern müssen?

Vermutlich wäre eine Ausstellung über die Wut Homosexueller auf das, dieses Fachwort sei eingeführt, Heteronormative, also auf die Kodierung aller gesellschaftlichen Kapillaren und Porensysteme an Männlich-weiblich-Binaritäten, am Wohlwollen der Bürger und Bürgerinnen zerschellt.

Womit ist eigentlich noch Aufmerksamkeit zu erregen? Wer sich mokiert, hat lifestyletechnisch schon verloren, sich als Illiberaler blamiert. Ein wechselseitiges Missverständnis? Images als Lizenz zum Nachmachen — warum nicht mit frommen Halbwahrheiten arbeiten? Eine geht so: Die Moderne sei das Zeitalter sexuell flanierender Bohemiens.

Wer Letzteren zu finden hofft, muss suchen — und zwar nur auf eigene Rechnung. Die Queer Theory unter ihrer Fackelträgerin Judith Butler möchte alle einen, die ihre sexuelle Welt nicht heterosexuell leben oder leben wollen. Für die Sex nicht das Gleiche wie Gender ist, meint doch Ersteres das biologische, Letzteres das soziale Geschlecht — beides sei letztlich änderbar, umkodierbar.

An Stellwänden sieht man Zeugnisse mannigfaltiger Oberflächen aus der Welt des Populären. Boy George, Andy Warhol, Cindy Crawford beim Knutschen mit Madonna, David Bowie, Drag-Kings. HeldInnen einer erotischen Topografie der Moderne — man wird ermuntert, sich zu schminken, sieht Textilien, die nicht eindeutig sagen, zu wem sie passen.

Das war zweifellos einmal ein Kernmobiliar des Achtzigerjahre-Undergrounds, als alle dachten, das Sexuelle sei eine Maschine, mittels deren Reprogrammierung man das Heterosexuelle verzichtbar machen könne, ihm jedenfalls das Superiore bestreiten könne.

Dass die Texte zu den Exponaten gerade den Schwulen eine Hymne ausbringen, verwundert zunächst nicht. Heterosexuelle Männer seien allenthalben auf dem Weg zu metrosexuellen Ikonen, David Beckham gilt als Beleg, denn er kleide sich feminin, ironisiere seine Virilität mit lackierten Fingernägeln und style sein Haar, wie es sich kein Hetero aus grauer Vorzeit erlaubt hätte.

Tatsächlich lodert an David Beckham alles, nur kein Dementi klassischer Männlichkeit. Am Ende findet er eben doch seinen Platz neben seiner Frau Victoria. Wahr ist nur, dass Beckham mit Oberflächen zu spielen scheint, aber dabei stets heterosexuell bleibt. Queer an ihm, subversiv gar, ist nichts, gar nichts.

Aber so weit, so gründlich geht die Zürcher Ausstellung nicht vor, dort delektiert man sich an den Häuten der Phänomene — und hält sie frei nach Warhol schon für die Wahrheit, die keinesfalls in Tiefen geboren ist. Eben für das letzte Wort zur Sache. Was die Sache ist, sie sein könnte?

Aus der Perspektive der Queer Theory die Auflösung des Biologischen zugunsten der Konstruktion des Psychischen. Ein Mann mag ein solcher biologisch sein, aber das müsse nichts bedeuten; eine Frau sei eigentlich eine Frau nur dann, wenn sie es so empfinde — und lebe. Menschen, die die gleichen Hornbrillen tragen, die gleiche Coolness zelebrieren, ähnliche Schlabberklamotten lieben und — darauf kommt es an — nur wenige Zeichen zulassen, die einen Rückschluss auf ihre Sexualität erlauben.